Das Internet hat den Begriff Privatsphäre neu definiert. Der Nutzer verliert in sozialen Netzwerken seine persönliche Distanz. Politiker und Juristen reagieren oft ratlos. Eine neue Vertrauenskultur in der digitalen Gesellschaft könnte das Problem lösen.
Fast jeder Monat hat seinen Datenschutzskandal: Facebooks Gesichtserkennung, Apples Location Tracking auf dem iPhone, Googles Street View. Staat und Rechtssprechung versagen regelmäßig in solchen Situationen. Politiker reagieren desorientiert und kurzsichtig, fordern Verbote und Sperren. Der Rechtsprofessor Dirk Heckmann (Homepage) will dieses Dilemma auflösen. „Vertrauen ist die Währung im Internet der Zukunft“, sagte er bei einem Workshop des Google-Think-Tanks „Co:Laboratory“ (Homepage) in Berlin.
Die neuen Technologien schaffen Fakten, sagt der Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof. Diese lassen sich mit herkömmlichen Rechtspositionen nur schwer vereinbaren. Pflicht des Staates sei, die Verlierer der Digitalisierung zu schützen, Datensicherheit zu garantieren und Bürger zum Selbstschutz zu befähigen.
In der Ära des Betriebssystems Windows 95 war „Plug and Play“ – „Anschließen und Loslegen“ – eine Sensation, wenngleich sie zunächst ein weitgehend leeres Versprechen blieb. Doch inzwischen bestimmt diese Funktionalität wie keine andere die Art, wie wir das Internet nutzen. Sie hat das Web verfügbar und komfortabel gemacht, sie gaukelt dem Nutzer virtuelle Nähe vor und raubt ihm dadurch persönliche Distanz.
Dass der Staat diese Verführbarkeit des Nutzers mit herkömmlichen juristischen Instrumenten eindämmen kann, ist für Professor Heckmann zumindest zweifelhaft. Denn die rechtliche Steuerung versagt. Privatsphäre dürfe nicht statisch betrachtet werden. „Lasst die Leute über die Grenzen ihrer Privatheit selbst entscheiden“, sagt er und appelliert an die Medienkompetenz des Nutzers sowie die Transparenz der Anbieter, die sich das Vertrauen ihrer Kunden erwerben müssten. Fazit des Netzoptimisten Heckmann: „Die Anbieter brauchen uns als Nutzer. Deshalb werden sie sich um unser Vertrauen bemühen.“
Internetportale nehmen Schaden, wenn sie diese Chance missachten, erfolgstrunken Bedenken ihrer Kunden ignorieren und sich über deren Interessen hinwegsetzen wie zuletzt Facebook bei der Einführung der Gesichtserkennung auf Fotos, die Nutzer des Netzwerks veröffentlichen.
Das global wachsende soziale Netzwerk Facebook hat jetzt in den USA zum ersten Mal sechs Millionen Nutzer verloren, wie das gewöhnlich gut informierte Blog „insidefacebook.com“ berichtet. Das mag eine statistische Schwankung sein. Vielleicht ist es aber auch ein Zeichen, dass selbst Facebook Datenschutz nicht nach Gutsherrenart regeln kann. Und dann würde Heckmann mit seinem Vertrauensappell Recht behalten.
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